Erschienen in: | Kolpingblatt Köln |
Erschienen am: | 10.01.1988 |
Es gibt vor allem drei Zugänge zu Familienexerzitien:
1. Schwierigkeiten der Ehegatten, die Kunst des Gesprächs zu pflegen, Enttäuschungen und Krisen, die ggf. aus Verzweiflung auf Gott geworfen werden wollen, 2, Hunger der Eltern, ein herzlicheres Verhältnis zum Ehegatten, zu den Kindern, zu Gott zu erlangen bzw. zu empfangen. 3. Eine Woche des Urlaubs in froher Gemeinschaft mit anderen Christen zu verbringen und dadurch Ermutigung zum Christsein im Alltag einer säkularen Umwelt zu erfahren.
Es gibt Kurse für Familien in einer Dauer vom Wochenende an aufwärts und mit unterschiedlichen Impulsen von einer bis acht Stunden je Tag. Hier wird von achttägigen Kursen berichtet.
Die Eltern treffen sich vor- und nachmittags für jeweils zwei bis drei Stunden zu Vortrag, Gespräch in der Ehe, in Kleingruppen und in der Beichte, Bibelarbeiten und gemeinsamem Gebet, auch kraftvoll gesungenem Lobpreis, z. T. gemeinsam mit den Kindern, und feiern abends Eucharistie, Die Kinder und Jugendlichen werden in fünf Gruppen von je zwei Mitarbeiter(inne)n betreut, erfahren eine wohlwollende Atmosphäre der Zuwendung und Liebe und werden altersgemäß zu einem herzlichen Verhältnis zu Jesus Christus geführt; auch am Abend sind Mitarbeiter bei den Kindern, damit die Eltern wirklich frei von Sorge sein können.
Ein Ehepaar schrieb ein Jahr nach dem Kurs: »Die Ehepartner hatten unerwartet Zeit füreinander. Zeit, in der sie sich bewußt und unter Anleitung mit ihrer Ehe als Sakrament auseinandersetzen konnten. Sehr positiv wurde der Austausch mit den anderen Ehepaaren empfunden, die teilweise schon seit Jahren versuchen, ernsthaft aus ihrem Glauben zu leben. Und zwar nicht nur als einzelne, sondern auch als Ehepartner oder als Familie. Das war für uns ziemlich neu, wirkte auf uns ›Neulinge‹ ermutigend und ansteckend.«
Sämtliche Impulse dienen dazu, eine »persönliche Glaubensentscheidung möglich zu machen« (Gotteslob 44,2). Die Frage nach dem Sinn des Lebens wie nach dem Bild, das die einzelnen von Gott haben, wird in biblischer Weise behandelt. Beim Thema »Christliche Kommunikation in der Ehe« helfen Briefe, die sich die Ehegatten in Liebe schreiben, zu Gesprächen zu kommen, in denen sich die Partner von Herz, zu Herz austauschen, einander teilhaben lassen an ihren Gefühlen und Wünschen. Die Besinnung auf die Konturen biblischer Ehen akzentuiert die eigene Ellepraxis.
In der Weiterführung geht es um die Annahme der eigenen Lebensgeschichte, um Versöhnung, Vergebung und Heilung von Verletzungen, die jeder von anderen erhalten hat. In Seelsorgegesprächen und persönlichem Gebet geschieht Befreiung von Hindernissen, Auf diesem Weg hilft eine eucharistische Anbetung, in der um Heilung der eigenen Lebensgeschichte gebetet wird.
In einem festlichen Gottesdienst gegen Ende des Kurses wird allen angeboten, ihr Tauf-, Firm- und Eheversprechen persönlich zu erneuern (Gotteslob 50,1; 52,5), Dies soll in Freiheit geschehen, so wie sich der einzelne bzw. das Ehepaar von Gott gerufen weiß. In weiterführenden Vorträgen geht es um das Leben aus den Sakramenten, um die Annahme des Ehegatten als Gabe (»Charisma«) Gottes, um die Offenheit für die verschiedenen Gnadengaben im Alltag, Gebet und Umgang mit der Bibel in der Familie, Erziehung, familiäres Glaubenstraining und Lebensstil.
Die Vortrage werden vor allem von Ehepaaren gehalten, die berufsbedingt theologischpsychologische Kenntnisse für diesen ehrenamtlichen Dienst mitbringen und selbst den Weg einer geistlichen Erneuerung ihrer Ehe und Familie gehen. In der Kursgemeinschaft wird Kirche als heilende Gemeinschaft, als lebendiges einander dienendes Volk Gottes erfahren; so finden auch kirchlich Distanzierte neu zur Gemeinde.
Die persönliche Glaubensentscheidung ist ein Ziel eines derartigen Familienexerzitienenkurses, da die Gnade des Sakramentes der Ehe ihre Kraft in der Treuebildung an Gott entfaltet, Fruchtbar wird Ehe im Alltag: Eltern bezeugen, daß sie ihren Kindern nach dem Kurs liebevoller begegnen konnten; Gott eroberte in ihrem Leben Terrain und schenkte eine Verchristlichung der Gefühle, die den Umgang miteinander in der Familie bestimmen. Wenn Ehern glauben, können sie glaubhafter ihren Kindern und Jugendlichen mit Tat und Wort bezeugen, daß Gott sich seiner Kinder erbarmt, (»Ich war da für sie wie die Eltern, die den Säugling an die Wange heben.« Hosea 11,3 ff.) Ein Vater schrieb nach dem Seminar: »Ich selbst muß immer wieder daran denken, wie mich meine Frau zu diesem Seminar fast mitziehen mußte, Ich war sehr skeptisch und vieles war mir ungewiß. Doch wenn ich heute
zurückdenke, habe ich durch dieses Seminar eine Erneuerung unserer Ehe und eine Heilung an Leib und Seele erfahren. Meiner Frau geht es genauso. Inzwischen gehöre ich unserem Männerbibelkreis an, was mir vor einem Jahr noch undenkbar gewesen ist. In dieser Gemeinschaft vertiefen wir uns im Evangelium und nehmen uns gegenseitig in christlicher Liebe an.«
Diese Weiterführung in einer Gemeinschaft von Familien zu Hause, in Bindung an die Pfarrgemeinde und verfügbar für Dienste vor Ort, ist eine der frohmachenden Früchte solcher Familienexerzitienenarbeit. Hier wird die Grundspiritualität der Kirche intensiviert. Taufe und Ehesakrament gewinnen neu Farbe, Volkskirche wird verlebendigt. Hier wird lebendig, was die deutsche Synode 1975 formulierte: »Lebendige Pfarrgemeinden, in denen vielfältige Geistesgaben zusammenwirken, sind eines der wichtigsten Ziele kirchlicher Reformbemühungen« (Dienste und Ämter 1.1.1).
Die wichtigsten Zellen geistlicher Erneuerung sind die christlichen Ehen und Familien. Sie öffnen sich unter dem Wirken des Heiligen Geistes für den Dienst in Kirche und Gesellschaft. Familien entdecken in Gemeinschaft Gleichgesinnter einen neuen Lebensstil – alternativ zur Welt in Gottes Ordnung – und werden zu Zellen der Glaubensweitergabe, der Evangelisation, Einzelne halten z. B. in ihrem Dekanat ein von solchen Familienexerzitien inspiriertes Eheseminar über mehrere Abende, ein »Ehe-Katechumenat für Getaufte«.