Die geistliche Situation im deutschen Sprachraum zeigt, wie wichtig es ist, Familien eine gute Zurüstung zu geben: für ihr gemeinsames Leben als Christen und den apostolischen Dienst in Kirche und Gesellschaft, der dem Ehesakrament entspricht. Es braucht die geistliche Erneuerung der Kirchen durch lebendige Zellen von Ehepaaren und Familien. In diesem Dienst steht ''Familien mit Christus", eine katholische Lebensgemeinschaft aus Familien, die an einem niederbayrischen Wallfahrtsort ein Geistliches Zentrum für Familien trägt. Der Leiter Diakon Franz-Adolf Kleinrahm war bis 1989 der Redakteur dieser Zeitschrift und berichtet aus dem Leben der Kommunität.
Unsere Gemeinschaft besteht derzeit (März 1992) aus vier Ehepaaren mit 14 Kindern im Alter bis vierzehn Jahren. Wir begannen im Jahre 1988, uns zusammenzuschließen, wohnen nun in einem ehemaligen Internat und bieten Wochenenden und in den Schulferien bis zu 14tägige Kurse für Familien an. Bis zu 65 Personen können teilnehmen.
Aus persönlicher Erneuerung
Angelika, meine Ehefrau, und ich heirateten 1973 am Anfang meines Studiums. 1978 erlebte ich erstmalig, dass die wesentliche Erfahrung des Christentums die Taufe ist; ebenso bei einem Cursillo durfte ich eucharistische Nähe in bisher ungeahnter Weise erfahren. "Die gingen auf Nahkampfstellung zum Tabernakel und redeten mit Jesus, als würde Er persönlich antworten", für mich trotz abgeschlossenen Theologiestudiums eine Neuentdeckung und Provokation. Anderthalb Jahre später erneuerte ich bei einem Kurs der Gemeinde-Erneuerung persönlich mein Taufversprechen. Meine liebe Ehefrau konnte nicht so recht verstehen, warum ich plötzlich eine tägliche Gebetszeit hielt, mit ihr zu beten suchte. Sie kam in Vollzugszwang, fuhr mit mir zu einem Kurs der Gemeinde-Erneuerung, dann zu einem Frauencursillo. 1983 erneuerten wir anlässlich unseres zehnten Hochzeitstages in einer Gruppeneucharistiefeier in persönlicher Weise unser Eheversprechen. In unserem Gebet sagten wir: "Herr, läutere Du in uns die Gabe der Gastfreundschaft, und, wenn Du es willst, heile Du durch uns Ehen." Das war ein Teil des Blankoschecks, den wir Gott gaben. 1985 hielten wir auf Einladung des Katholischen Evangeliationszentrums Maihingen einen Familienexerzitienkurs. Weil die Nachfrage so groß war, uns Erfolg geschenkt wurde und ich infolge meiner beruflichen Tätigkeit flexibel meine Arbeits- und meine Freizeit einteilen konnte, hielten wir als Ehepaar im Jahre 1986 vier Wochenkurse. Im August 1986 erkannten wir bereits, dass wir diesen Dienst auf Dauer nicht ausschließlich mit ständig wechselnden ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und wie "Wanderprediger mit eigenen Kindern im Gepäck" würden leisten können. Im ehelichen Gespräch, dem Austausch mit Freunden und beim Gebet wurde uns klar, dass wir in einigen Jahren in einem festen Haus mit einer Lebensgemeinschaft für die geistliche Erneuerung von Familien in der katholischen Kirche arbeiten würden. Nachdem ich einige Rahmenbedingungen durchgerechnet hatte, beteten wir seitdem mit dieser inneren Gewissheit: "Herr, gib uns ein Haus mit 110 Zimmern an einem eingebeteten Ort, da wo man deutsch spricht." Und bei den Kursen erzählten wir in den Schlussrunden von dieser Idee und luden dazu ein zu prüfen, wer uns unterstützen oder gar mitgehen wolle. Als Ostern 1990 der erste Wochenkurs in Heiligenbrunn angeboten wurde, hatten wir bereits 19 fünf- bis zwölf-tägige Kurse in neun Diözesen durchgeführt.
Vor der Lebensgemeinschaft
Bis zum Herbst 1987 hatten über zwanzig Personen (Unverheiratete, Ordensleute, Ehepaare) Interesse gezeigt an dem Projekt. Für Ende April 1988 verabredeten wir uns zu einer Traum-, Planungs- und Gebetsklausur in der Nähe Würzburgs. Aus diesem Wochenende gingen wir mit vier Familien und zwei Einzelpersonen hervor: aus Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden, Franken und Westfalen. Die Männer waren von Beruf Krankenpfleger und Augenarzt, Koch und Lokführer und ich als Journalist. Die vier Ehefrauen waren alle mit der eigenen Familie (zwei bis sechs Kinder) beschäftigt. Die Ordensschwester war in ihrem Mutterhaus tätig; sie wurde uns von ihrer Generaloberin für neun Monate als Starthelferin freigestellt. Wir trafen uns öfter, um uns kennenzulernen und uns auf ein gemeinsames Leben vorzubereiten. Wir gaben uns eine Satzung, um als Verein Verhandlungspartner sein zu können. Darin heißt es: "Der Verein vertritt die christliche Auffassung von Ehe und Familie. Er bietet verschiedene Formen eines "Katechumenates für Getaufte" an. Er macht ein zeitgemäßes seelsorgliches und familienpädagogisches Angebot und fördert dadurch das Ehe- und Familienleben. Gemäß dieser Zielsetzung wird im Rahmen des Vereins eine "Evangelistische Lebensgemeinschaft" gegründet. Die Satzung wurde binnen kurzem vom Amtsgericht anerkannt, die Zusprache der Gemeinnützigkeit folgte umgehend und bereits im März 1989 erhielten wir nach Prüfung unserer Satzung durch die Diözese die bischöfliche Anerkennung als kirchliche Gemeinschaft in der Diözese Regensburg. Auch diese zeitliche Dichte in der äußeren Ordnung, empfanden wir als Ermutigung, von Gott geschenkt.
Geistliche Aufbruchstimmung
Jeder von uns hatte zuvor in seiner Heimatpfarrgemeinde mitgearbeitet und im Kontakt mit einer der geistlichen Aufbruchsbewegungen oder neuen pastoralen Initiativen unserer Kirche persönliche Erfahrungen mit Gott gemacht, die sie/ihn zubereiteten, sich in einen neuen Lebensbereich zu entsichern. Mit der Sehnsucht im eigenen Herzen fing es jeweils an. Der Arzt verkaufte seine seit 17 Jahren von ihm geführte Praxis und eröffnete eine neue im Nachbarort, wo sich seit zehn Jahren trotz Werben des Bürgermeisters kein Augenarzt niederlassen wollte. Seine und meine Familie verkauften ihre Häuser. Die Familie mit sechs Kindern musste sich die vielen Schulwechsel besonders gut überlegen. Der Lokführer gab seine Beamtenstellung auf und war bereit, eine geringer bezahlte Arbeitsstelle zu übernehmen. Ich besichtigte zahlreiche leerstehende Häuser (Sanatorium, Ordensniederlassungen, Krankenhaus) und überlegte entsprechend finanziell und bauplanerisch. Dann bei einem Gespräch während eines Pastoralkurses am Montag vor unserer o.g. Klausur stieß ich auf die ehemalige Knabenheimvolksschule am Marienwallfahrtsort Heiligenbrunn im Landkreis Landshut. Mein Gesprächspartner, der als Pfarrer für dieses leerstehende ehemals von Franziskanerinnen geführte Objekt zuständig war, zeigte mir den nur 70 km entfernten Gebäudekomplex und befragte mich. Am letzten Tag des Pastoralkurses wurde ich, für mich überraschend, ins Bischöfliche Ordinariat gebeten und mir dort vom Domvikar mitgeteilt: "Der Herr Bischof und der Herr Generalvikar würden sich freuen, wenn Sie sich mit Ihrer Gemeinschaft in Heiligenbrunn niederlassen würden." Worte der Erlösung nach intensivem Suchen und Gebet. Der Herr führt. So konnte ich mit einigen Ansichtskarten und ein paar Bauzeichnungen in der Tasche zu unserem Treffen fahren, das an eben diesem Abend schon lange geplant begann. Später, am 1. Mai 1990, weihte unser Diözesanbischof Manfred Müller unter großer Beteiligung der Bevölkerung persönlich unser Haus als Familienzentrum ein.
Die Startfinanzierung war riskant. Unser erster Beschluss zur Finanzplanung kurz nach der Vereinsgründung 1988 beginnt folgendermaßen. "Im Vertrauen auf die göttliche Vorsehung und im Wissen um die Unsicherheit jedes einzelnen Etatansatzes beschließen wir für 1989 einmütig folgenden Etat in Höhe von DM 192.000,-." Wir staunen, wie sehr Gott uns auch finanziell den Rahmen weit gesteckt hat - und sind zutiefst dankbar allen, die Seinen Rahmen gefüllt haben. Die baulichen Investitionen (bisher ca. DM 600.000,-) und die Betriebskosten (ca. DM 140.000,- im Jahr) werden gedeckt vor allem aus Kurseinnahmen, Hand und Spanndiensten (ora et labora-Wochen) und Mietzahlungen sowie Spenden der Mitglieder der Lebensgemeinschaft, aber auch aus Zuschüssen der Diözese Regensburg und Spenden und Darlehn von Kursgästen und Förderern.
Alltag der Lebensgemeinschaft
Da die Ehepaare zu Beginn je zwischen 12 und 16 Jahren verheiratet waren, brachte jeder seine eigenen Gewohnheiten mit, von denen er manchmal erst in der Begegnung mit den Gewohnheiten der anderen bemerkte, wie sehr er sie liebgewonnen hatte. So ist es leicht nachzuvollziehen, dass es vor allem am Anfang nicht nur auf den Baustellen im Haus, sondern auch zwischen uns öfter "gestaubt" hat. Da wir von Anfang an Kirche im Kleinen als Dialoggemeinschaft sein wollten, ging es nun darum, dies im Alltag zu leben. Wir arbeiteten uns in den ersten Monaten von einer Entscheidung zur nächsten. Wir mussten lernen, wie das gehen kann, einen geistlichen Entscheidungsfindungsprozess in Gemeinschaft zu vollziehen.
Nicht zu lösen vermochten wir das Problem, dass für die viele Arbeit zu wenige Schultern da sind, und dass die Zeit, bedingt durch die mehrheitlich außerhäusliche Berufstätigkeit der Ehemänner, immer zu kurz ist (nur ich bin angestellt, seit 1990 vom Bischof als Diakon für das Geistliche Familienzentrum). Wir sind auch deshalb weiterhin offen für Einzelpersonen, Ehepaare und Familien, die diesen Weg geistlich, lebens- und arbeitsmäßig zu teilen bereit sind.
Durch zahlreiche Experimente hindurch hat sich inzwischen als normaler Tages- und Wochenablauf herausgebildet:
6.30 Schulbus der Gymnasiasten
7.30 Schulbus der Kindergarten- und Grundschulkinder
8.00 Laudes der Frauen und der Männer, die es sich berufsbedingt ermöglichen können; zweimal in der Woche mit Kommunionfeier.
9.00 Arbeiten der Frauen im Haus, z.B. Wäschepflege, Garten, Kursvorbereitung, Hausgestaltung
11.00 Kindergartenkinder kommen heim
13.20 Schulkinder weitgehend zuhause, Mittagessen in den Wohnungen, bei ausgewählten Kursen mit den Teilnehmern, nachmittags in den Familien bzw. lebhaftes Miteinander der Kinder , an je einem Tag Frauen-Kaffee bzw. Hauschor.
20.30 an drei Tagen in der Woche Abendprogramm: Arbeitsbesprechung oder Geselliger Abend (im Wechsel), Gebetsabend (häufig als Vesper mit Bibelteilen und Kommunionfeier), Eucharistische Anbetung, gelegentlich Männertreffs. Ein Abend in der Woche wird von jedem Ehepaar als Eheabend gestaltet, damit die Offenheit in dieser grundlegenden Beziehung wächst und die sakramentale Gegenwart Gottes fruchtbarer wird. Jeder bemüht sich im Laufe des Tages, eine halbe Stunde in der Hauskapelle zu verweilen zu Bibelarbeit oder eucharistischer Anbetung als zwei der Hinwege zur Verwandlung unserer Herzen und Befähigung zum Dienst. Gemeindliche Einsätze kommen dazu: Bibelkreis oder Glaubenskurs leiten, Mitarbeit im Familiengottesdienstkreis und regelmäßig der Messnerdienst an der benachbarten Wallfahrtskirche. Die Elemente unseres Lebensstils wählen wir bewusst so, dass sie auch von Familien und Ehepaargruppen in einer Pfarrgemeinde so gelebt werden können. Aus der persönlichen Umkehr jedes Einzelnen hatte sich die Freiheit zum Aufbruch entwickelt. Der Anruf Gottes wurde durch diese Einladung der Regensburger Diözesanleitung bestätigt und in konkrete Bahnen gelenkt. Durch das gemeinsame Leben mit Freude und Arbeit, Gebet und Ringen um den Weg durften wir als Lebensgemeinschaft die Erfahrung machen, zu-einander gerückt zu werden. Unsere "Versöhnungstage", an denen wir miteinander sprechen, um Versöhnung zu gewinnen, schließen ab mit einem liturgischen Abend und haben sich als nützlich und heilsam erwiesen. Gerade an diesen Tagen kommt ins Gespräch, was wir an Schwächen und ungeordneten Eigenwilligkeiten haben.
Er schenkt Erneuerung
Wir empfangen das Wirken Gottes und dürfen staunen, so nah dabei zu sein, wie Er an Familien wirkt. Wir sind dankbar mitzuerleben, wie Er Seiner Kirche Erneuerung schenkt und Seinen Leib vor allem in Familien als Hauskirchen schön macht. Diese Geschichte des Beschenktwerdens, in die wir mit all unserem Mühen und Riskieren eingebunden sind, lockt uns zu weiteren Schritten der Verbindlichkeit, zum Bund. Es ging von der Erneuerung des Taufversprechens zur Erneuerung des Eheversprechens. Einzelne gingen auch den Schritt der Lebenshingabe für den Dienst in der Kirche als ausdrückliche Bereitschaft zum Apostolat. Es folgte sehr praktisch das Aufgeben der bisherigen Wohnorte, Arbeitsplätze, Bezugsgruppen. Aus dieser Entwicklung bindet sich der Einzelne an diese evangelistische Lebensgemeinschaft. Mit Rücksicht auf die Entwicklung unserer zahlreichen Kinder und die Unsicherheit, die sich durch außerhäusliche Berufstätigkeit ergibt, wird es sich jeweils um eine Bindung für ein weiteres Jahr handeln.
Für Personen, die sich interessieren, Mitglieder der Gemeinschaft zu werden, sind die Teilnahme an Kursen und Oel-Wochen auf dem Weg des gegenseitigen Kennenlernens unverzichtbar. Darüber hinaus müssen die ersten ein bis zwei Jahre des Mitlebens als Probezeit gewertet werden. Auch wenn für Familien der Aufwand des Erprobens hoch ist, ist für alle Beteiligten diese prinzipielle Offenheit nützlich. Manche Kursteilnehmer und -teilnehmerinnen wünschen eine Form der Bindung in einem Freundes- und Förderkreis, um Bestärkung und Schutz im geistlichen Leben als Familien und ihren Dienst am eigenen Wohnort zu erfahren. Der Freundes- und Förderkreis ist ein Zusammenschluss von Familien und Einzelpersonen, die aus den Sakramenten Taufe und Ehe, der Anbetung und dem Wort Gottes leben, Gemeindeaufbau durch kleine christliche Gemeinschaften als Weg der Kirche leben und Apostolat unter Familien als Notwendigkeit in unserer Zeit und als Anliegen Gottes für sich wahrgenommen haben. Er dient wechselseitig als Stütze für Familien in Gemeinden (Gebet, Begleitung, Unterstützung von Veranstaltungen) und für das Apostolat in Heiligenbrunn (Gebet, Kinderbetreuung bei Kursen, handwerkliche Mitarbeit, finanzielle Unterstützung u.a.).
Unsere Satzung nennt geistliche Verpflichtungen für die Mitglieder der Lebensgemeinschaft, die Angebot auch an die Mitglieder im Freundes- und Förderkreis sind. Diese Verpflichtungen sollen Hilfsmittel und Wegbegleiter sein, näher zu Gott zu kommen und seinem Auftrag zur Weltgestaltung folgen zu können: